Zehn Jahre, und kein bisschen vergessen

Die Sofiensäle-Initiative lief zehn Jahre lang, mit einer kurzen heißen Phase und einer langen Phase des scheinbaren Stillstands. Die heiße Phase war von hektischer Betriebsamkeit bei allen beteiligten Parteien gekennzeichnet, beinahe im Wochenrhytmus kam es zu neuen Entwicklungen, laufend wurde regional und österreichweit in den Medien berichtet, und wir veranstalteten vier große Pressekonferenzen in zwei Jahren. Im April 2002 fiel dann im Denkmalamt endgültig die Entscheidung, die Sofiensäle weiter unter Denkmalschutz zu halten. Das wurde in der Pressekonferenz des Bundesdenkmalamts durch Präsident Dr. Wilhelm Georg Rizzi auch klar an die Medien kommuniziert und es brach beinahe schlagartig die lange Phase des Stillstands an. Das Interesse der Medien zu berichten hatte sich dramatisch verringert und es gelang nur noch zu den Jahrestagen des Brandes, Artikel und Informationen zu lancieren. Der Eigentümer hatte sein Primärziel - den Abriss - verfehlt, und setzte nun auf den Lauf der Zeit und das Vergessen. Wir gaben uns daher Mühe, den Medien zu den Jahrestagen des Brandes interessante neue Aspekte aufzuzeigen, denn es war zu befürchten, dass die Abbrucharbeiten vorangetrieben würden, falls das mediale Interesse gänzlich zum Erliegen käme. Letztlich führte unsere nachhaltige Aktivität nach zweifachem Eigentümerwechsel insoweit zum Erfolg, als die unter Denkmalschutz stehenden Teile des Gebäudes nun endgültig erhalten bleiben.

Durch das endgültige Bekenntnis des neuen Eigentümers Soravia Group zum Erhalt der bestehenden Gebäudeteile und deren Rekonstruktion in Abstimmung mit dem Denkmalamt scheint unser Ziel weitgehend erreicht zu sein. Was uns noch immer Sorgen bereitet ist das unausgereifte Nutzungskonzept für die historischen Gebäudeteile. Statt einer hochqualitativen Nutzung für kulturelle Veranstaltungen - immerhin waren die Sofiensäle einst Bestandteil der Wiener Festwochen und hoch geschätzte Spielstätte für klassische Musik - soll in Zukunft eine Hand voll bildende Künstler ihre Ateliers in den ehemaligen Logen beziehen, und der Große Saal soll als bloßer Ausstellungsraum für deren Werke genutzt werden. Wer die Auswüchse subventionierter Kultur in Wien kennt, ahnt bereits ein drohendes Szenario: Zuerst weisen Antragsteller ihr Parteibuch vor, dann folgt ein beinhartes Auswahlverfahren nach hehren Kriterien der Gunst, pardon: Kunst ("Sag, was kunnst du für mich machen?"), und fürderhin entstehen dann richtungsweisende Kunstwerke der Postmoderne in den Ateliers und Katakomben der Sofiensäle - oder auch nicht. Hauptsache es wurde verhindert, dass eine der ältesten Stätten der Begegnung und einstige Herberge vielfältigster kultureller Aktivitäten wieder zu vollem Glanz und Blüte gelangen kann. Ein ausgereiftes Nutzungskonzept als "Strauss Center Vienna" wurde durch zwei erfahrene Projektentwickler erarbeitet und durch die Bürgerinitiative vorgestellt. In Form eines Leasingmodells, das von einem deutschen Finanzinstitut berechnet wurde, hätten die Mehrkosten der Rekonstruktion aus dem Betriebsergebnis abgedeckt werden können - eine ernsthafte Nutzung vorausgesetzt. Die verantwortlichen Politiker haben abgewunken und behauptet, dass Wien keinen Bedarf an kulturellen Einrichtungen mehr hätte. Wer aber die Sofiensäle in Erinnerung hat, und sie mit zum Beispiel dem Nachfolgespielort Gasometer vergleicht, wird sich Charme und Flair der Sofiensäle zurückwünschen.

ACHTUNG: Unsere Kontakt-Telefonnummer in der Urlaubszeit lautet: +43 (0) 680 13 43 887

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